Wadde wabbel Du denn da?

 

Erschienen in "MEDICINE & BEAUTY" – September 2000

 

Ja, schön wärs – irgendwas über 40 Kilo…

 

Wider besseres Wissen falle ich ab und zu auf Wunderdiäten rein. Ich komme mir dann immer vor wie ein Atheist, der vorsichtshalber doch nicht aus der Kirche austritt: Wer weiß…

Ich trank letztes Jahr literweise Pu Er Tee, überstäubte Salat mit Mineralien, spülte Enzym-Kapseln mit Obstessig runter. Ich wurde gereizt, blass, hatte Augenringe. Schluss mit dem ganzen Quatsch, dachte ich, wer zu dünn ist, bekommt Falten und schlechte Laune. Nie wieder.

Aber dann rief Verena an. Sie mache gerade eine super Diät, die Entdeckung, Wahnsinn! Was es war, wollte sie am Telefon nicht verraten. Wir verabredeten uns auf neutralem Boden, einem kalorienfreien Ort: ihrer Wohnung.

Verenas Gesicht wirkte merkwürdig fahl und verknittert, das Haar hing strähnig herab, der Blick war glasig, und sie hielt eine Wolldecke um den Leib geschlungen.

Brauchst Du was aus der Apotheke? entfuhr es mir. Wieso, fragte sie, während sie vor mir her ins Wohnzimmer wankte, mir geht es prima, ich habe bereits vier Kilo abgenommen! In sechs Tagen! Sie sank auf das Sofa und flüsterte: Homöopathie. Butter D6.

Aha, sagte ich. – Das ist potenzierte Butter, fuhr sie fort, der Hahnemann hat ja gesagt, Gleiches mit Gleichem vergelten, also Fett mit Fett, nur in hoher Verdünnung. Deshalb nimmst du täglich 3x5 Globuli Butter D6 ein, und Deine Fettzellen erhalten die Information: Fett.

Vor oder nach dem Essen, fragte ich.

Verena rasselte irritiert mit dem Globuli-Gläschen: die Zellen kriegen nun statt des Fettes nur die Fettinformation. Das Tolle ist, du kannst essen, und du nimmst ab. Alles? warf ich zweifelnd ein. – Alles außer Fett, davon natürlich kein Molekül, denn sonst würde die Information aus der D6-Butter quasi… überrauscht.

Interessant, sagte ich, und du hast… vier Kilo in sechs Tagen, triumphierte sie… Toll, sagte ich, während ich meine Handtasche nach dem fetthaltigen Lippenstift durchforstete, denn ich hatte plötzlich so ein ausgetrocknetes Gefühl. Ich fuhr mir mit dem Stift über die Lippen.

Gib her, ächzte Verena plötzlich, ich brauch auch… Na ja, ich bin nicht etepetete und reichte ihr den Stift. Aber dass sie ihn gleich verschlang?!

Ich will sagen: Es sind nicht die reißerischen Artikel und Anzeigen, auf die wir reinfallen. Man kann nicht in 7 Tagen 7 Kilo abnehmen, wissenwirdoch, selbst wenn man nichts isst, es sei denn, man schafft es, nebenher an der Tour de France teilzunehmen.

Es sind die todsicheren Geheimtipps, die uns schwach werden lassen. Verena z. B. verfügt über ein verzweigtes Informantennetz, was neue Diäten betrifft. So die Kohlsuppe der alten kroatischen Putzfrau eines Bekannten der Frau von Verenas Fetter, äh, Vetter: Diese habe 10 Kilo damit abgenommen, in 14 Tagen! Puerh, denke ich, was soll das wieder sein, der Kohl hat auch nie abgenommen und jetzt andere Sorgen. Aber eine Stimme raunt in mir: Balkan! Alte Weisheit! Volksheilkunde!

Es geht so: Sie kochen aus einem Berg Wirsing, Paprika, Tomaten, Karotten, Sellerie, Zwiebeln sowie Bio-Gemüsebrühe einen Kübel Suppe, von der Sie nach Herzenslust und so oft es Sie gelüstet, essen können. Fünf Teller am Tag, zehn, fünfzehn – egal! Man könne gar nicht so schnell auf die Waage gehen, wie die Pfunde purzeln, behauptet Verena. Mach ich nie, sage ich, ist doch einseitig, Mangelernährung, man verliert nur Wasser, kennwirdochalles.

***

Es riecht hier so komisch, stellt Karl-Hugo fest, hast du was gekocht? Eine tolle Suppe, sage ich, schmeckt fabelhaft! Er rührt in seinem Teller und schlürft schließlich das Gebräu. – Etwas fad, findet er, warum ist kein Fleisch drin? Steht nicht im Rezept, sage ich. Rahm würde auch passen, fällt ihm ein, holt welchen aus dem Kühlschrank und mischt einen ordentlichen Klacks in seine Portion. Mir schmeckt es ohne prima, behaupte ich. Und was gibt es jetzt Richtiges, fragt er, nachdem er den Teller geleert hat. Wieso, frage ich. Während ich noch eine weitere Suppe löffele, verspeist Karl-Hugo gut belegte Brote.

Um es kurz zu machen, denn Sie ahnen es: ich aß fast drei Tage nichts als Kohlsuppe, die mich schnell, obwohl ich sie mit Schinken und Rahm aufbesserte, so anwiderte, dass ich lieber gar nichts zu mir nahm. Erst recht, als ich Verena anrief, um ihr zu erklären, was für ein auf mindestens D12 potenzierter Unsinn dieser Kohl mal wieder… Moment, sagte sie, ich muss eben das Gratin… Gratin??!! rief ich. Kartoffel-Brokkoli, erklärte sie, mit Hackfleisch und Käse-Sahne… Bin gleich da, sagte ich.

P.S. In Brokkoli, übrigens, ist dieser grüne Farbstoff drin, ein Flavonoid, soll ein 1A Fettburner sein. Wenn Sie zwei Wochen lang nur Brokkoli…

 


 
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